Kfz-Gewerbe Niedersachsen punktet gegen den Trend

Gaben die Bilanz 2024 und die Prognose für 2025 bekannt: (v.r.) Landespressesprecher Joachim Cyzchy, Präsident Karl-Heinz Bley und Geschäftsführer des Verbandes Christian Metje. Foto: ProMotor/nds

Neuzulassungen gestiegen - Umsatz mit gebrauchten Pkw auf Rekordniveau – Neue Höchstmarke im Gesamtumsatz mit 30,8 Milliarden Euro -Rendite schwächer als in beiden Vorjahren - Neue Elektro-Pkw deutlich im Minus – Stromer auf großer Talfahrt – Service bleibt der „Anker im Kfz-Gewerbe“ - Gute Ausbildungsbilanz – Jahresstart 2025 mit der E-Offensive – Unsicherheiten wachsen - Kfz-Gewerbe bleibt dennoch zuversichtlich - EU-Regelung zu Flottengrenzwerten begrüßt

Großburgwedel. Hohe Kosten, weniger Wachstum, politische Unordnung und wirtschaftliche Unsicherheiten. Trotz dieser krisenhaften Rahmenbedingungen ist der niedersächsische Automarkt gegen den Trend gewachsen. Im Kraftfahrzeuggewerbe kehrt wieder „ein wenig Zuversicht“ ein, nachdem das Autojahr 2024 unerwartet eine Jahresbilanz mit der Note befriedigend bilanzierte. Steigerungen in allen drei Geschäftsbereichen sowie eine „starke Ausbildungsbilanz“ schürten die Hoffnung auf bessere Zeiten, sagte Karl-Heinz Bley, Präsident des Kfz-Landesverbandes Niedersachsen-Bremen vor Journalisten am Verbandssitz in Großburgwedel. Der Markt in Niedersachsen habe mit 990.956 (Vorjahr: 929.544) Pkw-Käufen gut gepunktet. Der Umsatz mit dem Verkauf neuer und gebrauchter Pkw und Lkw sowie dem Werkstattgeschäft sei um 6,1 Prozent auf 30,8 Milliarden Euro gestiegen. Die Ertragssituation habe sich im Jahresvergleich aber spürbar verschlechtert mit einer auf 1,7 (Vorjahr: 2,2) gesunkenen Umsatzrendite vor Steuern.

Das unerwartet hohe Umsatzplus habe seine Treiber mit neuen und gebrauchten Pkw, im Service und in einem lebhaften Nutzfahrzeuggeschäft. Trotz eines gesunkenen Neuwagenpreises und eines Anstiegs der Reallöhne sei die private Nachfrage schwach verlaufen. Die Kauflust der privaten Haushalte habe sich zum Gebrauchtwagenmarkt verlagert. Dies habe zu einem Umsatz von 13,3 (Vorjahr: 12,2) Milliarden Euro geführt. Der Umsatz mit neuen Pkw sei auf 12,6 (Vorjahr: 12,3) Milliarden Euro gestiegen. Der Service stehe mit 3,5 (Vorjahr: 3,3) Milliarden Euro in der Bilanz. Neue und gebrauchte Nutzfahrzeuge hätten mit 1,4 (Vorjahr 1,3) Milliarden Euro bilanziert.

Im Neuwagenmarkt sei der Einbruch bei den vollelektrischen Pkw (BEV) um minus 29,4 Prozent auf 39.179 (Vorjahr: 55.518) Zulassungen bemerkenswert. Alle anderen Antriebsformen hätten über den 2023er Ergebnissen bilanziert.

Auffällig seien die zweistelligen Pluszahlen für Benziner (11,1 Prozent) und Diesel (10,9 Prozent) sowie die hohe Nachfrage nach Hybriden ohne Stecker mit plus 21,5 Prozent. Dies seien 116.843 (Vorjahr: 105.177) Benziner, 58.842 (Vorjahr: 53.040) Diesel und 55.974 (Vorjahr: 46.069) Hybride ohne Stecker. Plug-in-Hybride (PHEV) wiesen 13.680 (Vorjahr: 12.491) Neuzulassungen aus.

Joachim Czychy, Pressesprecher des Landesverbandes, sagte, der Gebrauchtwagenmarkt habe sich zu dem Ort entwickelt, wo es für die Verbraucher „noch bezahlbare individuelle Mobilität gibt“. Daher überrasche es nicht, dass einer der Gewinner 2024 der niedersächsische Gebrauchtwagenmarkt sei. Nicht allein wegen des im Vergleich zum Neuwagen höheren Umsatzes habe der Gebrauchte für das Kraftfahrzeuggewerbe deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Fachhandel habe allein nämlich 11,1 (Vorjahr: 9,8) Milliarden Euro umgesetzt. Der Marktanteil sei um 5 Prozentpunkte auf 76 Prozent gestiegen. Verlierer sei der Privatmarkt mit einem Verlust von 5 Prozentpunkten bei einem Umsatz von 2,2 (Vorjahr: 2,4) Milliarden Euro.

Verbrenner weiter
stark nachgefragt

Unverändert seien gebrauchte Verbrenner die „Lieblinge unserer Kunden“ geblieben mit einem leicht gesunkenen Anteil von 88,7 (Vorjahr: 91,9) Prozent. Dem gegenüber stünden die alternativen Antriebe mit 11,3 (Vorjahr: 7,6) Prozent Anteil in der Jahresbilanz. Dies seien 79.434 (Vorjahr: 53.237) Umschreibungen. Erfreulich sei, sagte Czychy, dass die „gebrauchte Elektromobilität“ weiter dynamisch bleibe, wenn auch auf niedrigem Niveau. 34.387 (Vorjahr: 21.605) gebrauchte BEV und PHEV seien eine Steigerung um 59,2 Prozent. Der Weg zu einem lebhaften E-Gebrauchtwagenmarkt sei weit.

Der niedersächsische Service-Markt sei um 7,4 Prozent auf 3,5 (Vorjahr: 3,3) Milliarden Euro gewachsen. Das Autoservicegeschäft habe sich im Jahr 2024 auf noch höherem Niveau gegenüber den Vorjahren bewegt. Die Quote der durchschnittlichen Werkstattauslastung sei bei rund 87 Prozent unverändert hoch. Gründe seien das hohe Durchschnittsalter der Pkw mit jetzt 10,6 Jahren sowie der insgesamt zunehmende Fahrzeugbestand. Hier liege die Zunahme bei 0,7 Prozent auf 6,1 Millionen Fahrzeugen. Pkw erreichten mit einer kleinen Steigerung um 0,5 Prozent wie im Vorjahr knapp fünf Millionen. Das bröckelnde Ende des Homeoffice habe zu einer moderat höheren Jahreskilometerleistung geführt. 

Zum Service ergänzte Bley, deutliche Preissteigerungen bei Ersatzteilen und spürbar höhere Gehälter hätten die Preisspirale auch im Vorjahr nach oben gedreht. Es sei das zweite Jahr in Folge mit deutlichen Preissteigerungen. Die Kosten für Wartung und Reparatur seien im Durchschnitt auf 573 (Vorjahr: 535) Euro ohne Unfallreparaturen gestiegen. 

Erfreulich sei der gestiegene Anteil für die Unternehmen des Kfz-Gewerbes am Gesamtumsatz. 79,4 Prozent und damit 1,2 Punkte mehr habe das Kfz-Gewerbe bilanziert. Das liege am stärkeren Gebrauchtwagenmarkt und ebenso am höheren Service-Umsatz. Von den 30,8 Milliarden Euro Gesamtumsatz gingen 24,5 Milliarden Euro auf das Konto des Kfz-Gewerbes.

Finanzierung für
Reparaturen

Hohe Reparaturkosten belasteten die Autofahrer und ließen einige zögern, notwendige Wartungen durchführen zu lassen. Flexible Finanzierungslösungen und Absicherungsmodelle könnten hier Abhilfe schaffen. Die Bereitschaft, sinnvolle Investitionen in das eigene Auto und die nächste Reparatur zu stecken, sei durchaus da. Reparaturfinanzierung werde von vielen Kfz-Betrieben noch stiefmütterlich behandelt. Das Angebot komme noch viel zu selten.

Der freie Zugang zu den für alle Marktbeteiligten unverzichtbaren Fahrzeugdaten sei durch ein OLG-Urteil bestätigt worden. Dies sei ein Meilenstein für den fairen Wettbewerb. Zugangsbeschränkungen zu den Daten durch Hersteller seien für illegal erklärt worden. Bley: „Der freie Wettbewerb stellt eine wichtige Grundvoraussetzung der betrieblichen Existenz freier Werkstätten dar.

Auf der Habenseite der Jahresbilanz, sagte Bley „mit einer Portion Stolz“, stehe die Ausbildungsbilanz. Mit einer Steigerung von 7,6 Prozent auf 3.573 (Vorjahr: 3.321) neuen Ausbildungsverträgen für die fünf Kfz-Berufe habe die Branche auch den „wichtigen Schritt in die Fachkräftesicherung“ getan. Für den „gewerblichen Ausbildungs-Beruf Nummer 1, den Kfz-Mechatroniker,“ hätten sich 2.721 (Vorjahr: 2.559) junge Menschen entschieden. Mit plus 14,1 Prozent und 582 (Vorjahr: 510) neuen Verträgen stehe der Automobilkaufmann/-frau in der Statistik.

Ferner gebe es 147 (Vorjahr: 129) neue Ausbildungsverträge für den Beruf Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker, eine Steigerung um 14 Prozent, 81 (Vorjahr: 83) junge Menschen hätten sich für den Zweiradmechatroniker der Fachrichtung Fahrradtechnik und 42 (Vorjahr: 36) für den Zweiradmechatroniker mit der Fachrichtung Motorradtechnik entschieden. Bley sagte die Kfz-Branche habe als Arbeitgeber nach wie vor eine große Anziehungskraft auf junge Menschen. Es seien gute Aussichten, wenn junge und qualifizierte Fachkräfte nachkämen, die auch die Baby-Boomer-Lücken in den nächsten Jahren schließen könnten.

Insolvenzen
stark gestiegen

Die komplexe Gemengelage im Automarkt habe sich auch im deutlichen Anstieg der Insolvenzen für Reparatur- und Handelsbetriebe gezeigt. 331 (Vorjahr: 240) Insolvenzen in Niedersachsen seien ein besorgniserregender Anstieg um 32,4 Prozent, sagte Bley mit Hinweis auf die Daten des Statistischen Landesamtes. Der Automobilhandel stecke im Neuwagengeschäft in einem Strudel aus sinkender Nachfrage und steigenden Eigenzulassungen.

Die Talfahrt der E-Mobilität im vergangenen Jahr werde in Kundenbefragungen auf den Wegfall staatlicher Förderungen zurückgeführt. Drei Viertel der Befragten betrachteten den abrupten Förderstopp im Dezember 2023 als „zentralen Faktor für stagnierende Entwicklung des E-Auto-Markts“. Ohne finanzielle Unterstützung werde der Umstieg auf Elektroautos für viele schlichtweg unerschwinglich, sagte Bley mit Hinweis auf den um 8,1 Prozent gestiegenen durchschnittliche Preis eines E-Pkw von 56.670 Euro.

Während sich Reichweite und Ladeleistung „relativ gut entwickeln“, kranke der Markthochlauf der Elektromobilität vor allem an wettbewerbsfähigen Anschaffungspreisen im Vergleich zu Verbrennern. Ein weiterer Preisanstieg von E-Modellen wäre Gift für einen dynamischen Markthochlauf. Ein 20.000 Euro Stromer sei geplant, einen Termin gebe es aber noch nicht. Einige Hersteller, sagte Bley, planten sogenannte Billig-E-Autos zum Preis unter 20.000 Euro.

Bley sagte, man müsse abwarten, ob die in den Sondierungsgesprächen von CDU und SPD am vergangenen Wochenende überraschend vereinbarte Wende in der Förderpolitik für die Elektromobilität Realität werde. Die in Aussicht gestellten Kaufanreize wären ein wichtiger Schritt in einem Gesamtkonzept für „alle klimafreundlichen Antriebsformen“. Eine neue Elektroprämie müsse auch den dynamischen Gebrauchtwagenmarkt einbeziehen. Die Formulierung im Sondierungspapier: „Gleichzeitig wollen wir die E-Mobilität durch einen Kaufanreiz fördern“, müsse in den Koalitionsgesprächen “deutlich konkretisiert werden“.

Potenzial wächst für
bidirektionale E-Pkw

Interessant sei das Potenzial bidirektional ladefähiger E-Autos. Heute seien bereits rund 49 Modelle auf dem Markt, die den Strom auch wieder ins Netz abgeben können. Experten rechneten noch in diesem Jahr mit der sogenannten V2H-Anwendung.

„Vehicle-to-Home“ sei die Fähigkeit, den in der Fahrzeugbatterie gespeicherten Strom in das private Hausnetz einzuspeisen. Ein „breiter Hochlauf“ sei ab 2027 zu erwarten, sagte Bley mit Hinweis auf Prognosen des Bundeswirtschaftsministeriums.

Ein altes Thema, die Unfallreparatur mit gebrauchten Teilen, bringe man jetzt wieder aufs Tapet. Ein großer Versicherungskonzern (Allianz) habe angekündigt, bei der Unfallreparatur auch gebrauchte Ersatzteile einsetzen zu wollen. Damit wolle man die CO2-Emissionen bei der Instandsetzung senken. Es gebe aber große Bedenken, sagte Bley mit dem Hinweis, dass der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik acht ungeklärte Positionen publiziert habe, darunter auch die Frage des Garantie-Versprechens.

Bürokratieabbau
bleibt Thema

Das Thema Bürokratieabbau könne durch einen Plan der EU „neuen und hoffentlich nachhaltigen Drive“ bekommen. Das sogenannte Omnibus-Paket sehe eine Reduzierung der Berichtspflichten um 25 Prozent für alle Unternehmen und sogar um 35 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen vor. Auch die Pläne für ein modifiziertes Lieferkettengesetz seien der richtige Weg. Die Realität in vielen unserer Betriebe sieht heute so aus: „Der Meister verbringt mehr Zeit am Schreibtisch als in der Werkstatt“. Bis zu 20 verschiedene Beauftragte - von Datenschutz bis Arbeitsschutz - müssten benannt werden. 

Kfz-Gewerbe
mit Zuversicht

Ein Blick „in die kommenden 9,5 Monate“ offenbare großen Handlungsbedarf für die Politik. Erste gute Nachrichten aus Brüssel seien unter anderem, die drohenden Strafzahlungen zeitlich zu strecken. Dies gebe auch dem Automobilhandel mehr Zeit und damit auch Chancen, beim Verkauf der Lagerbestände von Verbrennerfahrzeugen das Angebot zu aktualisieren. Der Handel begrüße diese Flexibilität bei gleichzeitiger Beibehaltung der Klimaziele. Die Kommission wolle zudem noch in diesem Jahr das geplante Verbot von Verbrennerfahrzeugen überprüfen. Auch dies sei eine gute Nachricht.

Das Kfz-Gewerbe fordere unverändert „auch an die neue Adresse in Berlin“ gerichtet die Technologieoffenheit, Klarheit bei den Plänen zum politisch gewollten Verbrenner-Ende in zehn Jahren und den Einsatz synthetischer Kraftstoffe. Bley sagte, der „Knebel der Bürokratie-Lasten muss mindestens spürbar gelockert werden“ und eine „positive öffentliche Grundhaltung zur individuellen, klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität“ zähle zu den langfristigen und stabilen Rahmenbedingungen.

Eine Kosten-Bremse für die individuelle Mobilität sei ein Gebot der Stunde, sagte Bley mit Hinweis auf ein ausgedünntes Angebot von Neuwagen in den kleinen Segmenten. Im Besonderen gelte dies für die Elektromobilität. „Einstiegsmodelle“ unter 20.000 Euro sollten zügig in das Angebot kommen, denn auch die chinesischen Anbieter blieben mehrheitlich deutlich über dieser Preisgrenze.

Eine „verhaltene Zuversicht“ in der Perspektive gründe sich auf einen starken Jahresauftakt im Januar für die Neuzulassungen und Besitzumschreibungen. Bley sagte, die Steigerung um 5,7 Prozent für neue Pkw und 6,8 Prozent bei den Gebrauchten sei ein Start mit Potenzial. Das gelte auch für den Service, der weiter in der Erfolgsspur agiere.